Dass Romananfänge sitzen müssen, ist etwas, das sicherlich jede*r Autor*in schon einmal gehört hat. Immerhin entscheidet der erste Satz darüber, ob das Buch weitergelesen wird oder nicht. Aber ist es wirklich nur der erste Satz oder kommt es vielleicht eher auf die erste Szene an? Dass wir nicht nur einen ersten Satz haben, der überzeugt, sondern einen starken Romananfang, der zum Weiterlesen motiviert. Ich habe heute sechs Tipps für dich, wie du einen starken Einstieg in deine Geschichte findet.
Romananfänge sollen deine Leser*innen davon überzeugen, weiterlesen zu müssen. Dies geschieht in der Regel nicht, indem du den Alltag der Figur zeigst oder sie erst mal aufwachen lässt. Wirf die Leser*innen stattdessen mitten ins Geschehen und baue den Moment nicht seitenlang auf. Wie es zu der spannenden Situation gekommen ist, kann im Verlauf der Geschichte erklärt werden.
Strebe bei Romananfängen das Ungewöhnliche an, sodass die Neugierde der Leser*innen geweckt wird. Dies muss nicht unbedingt ein ungewöhnliches Benehmen einer Figur sein oder ein spezieller Umstand, sondern könnte auch eine außergewöhnliche Aussage sein. Stellen wir uns beispielsweise eine Schülerin vor, die im Unterricht sitzt. Das allein ist keine außergewöhnliche Szene. Was könnte passieren, das die Schülerin (und die Leser*innen) nicht kommen sieht? Vielleicht beißt die Lehrperson auf einmal in die Tafel, die Schülerin bemerkt, dass sich auch die Körperhaltung und das Äußere der Lehrkraft verändern. Haben wir hier etwa eine übernatürliche Situation, in der die Lehrperson zu einem Werwolf wird? Wieso beißt sie in die Tafel? Das ist nun natürlich ein sehr abstraktes Beispiel, aber es ist unerwartet und man möchte wissen, was daraufhin passiert, oder?
Wenn die Leser*innen die erste Szene mit einem Fragezeichen verlassen, weckst du auch dadurch ihre Neugier. Es soll natürlich nicht zu verwirrend sein, aber die Leser*innen sollen das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie mehr Informationen benötigen, um das Geschehen zuordnen zu können. Sie sollen auf der Suche nach Antworten sein, die sie bekommen, sobald sie weiterlesen. Spinnen wir das Beispiel mit der Lehrperson weiter, die zum Werwolf wird.
Die Schulklasse bricht in Panik aus, einige Schüler*innen stürmen aus dem Zimmer und holen Hilfe. Sie finden die Direktorin, die mit den Schüler*innen zum Klassenraum geht und die Lehrperson noch immer an der Tafel knabbern sieht. Was wäre, wenn die Direktorin lediglich die Augen verdreht und vollkommen entspannt wieder weggeht? Wieso tut sie das? Wieso ist sie nicht schockiert? Stellt diese Lehrperson keine Gefahr für die Schüler*innen dar? Lies weiter und finde es heraus!
Vermeide ausführliche Beschreibungen zu Figuren und der Umgebung. Denn mit ihnen verfällst du leicht ins Info-Dumping. Die Optik der Figuren kann auch im Laufe der Geschichte vermittelt werden und ist nichts Wesentliches, das die Leser*innen von Beginn an wissen müssen. Ähnlich verhält es sich mit Umgebungsbeschreibungen, außer sie sind relevant für die Szene. Bei zu vielen Details fragen sich die Leser*innen, wieso sie all diese Informationen bekommen, wenn andere Dinge doch viel spannender sind. Auch hier bietet sich das Beispiel mit dem Werwolf an.
Optische Beschreibungen der Lehrperson, wie sie sich verwandelt, sind spannend und gewünscht. Aber müssen die Leser*innen die Haarfarbe oder den Kleidungsstil von den Schüler*innen kennen, die aus dem Raum hetzen? Und müssen sie die genaue Raumaufteilung wissen? Wie viele Tische und Stühle es gibt? Wie es aussieht, wenn man nach draußen aus dem Fenster guckt? In dieser Situation ist die Verwandlung der Lehrperson spannend, sodass sich auf sie konzentriert werden sollte.
Spannende Einleitungen und Unerwartetes sind super. Allerdings passen sie nicht zu jeder Geschichte. Eine Lehrperson, die sich in einen Werwolf verwandelt, passt vermutlich weniger gut zu einer Liebesgeschichte, weswegen du stets abwägen solltest, was für dich und deinen Roman infrage kommt und passend ist. Eine subtilere Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Leser*innen zu bekommen, stellen Vorahnungen dar. Baue gewisse Hinweise ein, die bei den Leser*innen das Gefühl aufkommen lassen, dass gleich etwas passieren muss, das sie auf keinen Fall verpassen dürfen.
Zuletzt habe ich noch einen Tipp, den du direkt umsetzen kannst, ohne dich ans Manuskript zu setzen. Schnapp dir ein paar Bücher aus deinem Regal und lies die ersten drei Seiten durch. Innerhalb dieser Seiten solltest du einen Punkt erreichen, an dem du sagst, dass du weiterlesen musst. Entwickle ein Gespür dafür, wodurch dieses Gefühl in dir ausgelöst wird, und fädle einen solchen Punkt auch in deine Geschichte ein. Wie steht ihr zum Thema Romananfänge? Gibt es für euch No-Gos, was den ersten Satz oder die erste Szene angeht?
Ich glaube, bei mir ist es die stereotype Aufwachszene. Damit diese zu Beginn (und auch generell) überzeugt, sollte sie wirklich einige Überraschungen parat halten.